Xavier Naidoo predigt bei den „Reichsbürgern“ und bei den neurechten Montagsmahnwachlern
Xavier Naidoo (Photo: gemeinfrei)
Ein Quälgeist für die Ohren war er schon immer, der zweitgrößte hierzulande nach Hartmut Engler von Pur. Die Rede ist von Xavier Naidoo, dem „Mannheimer Wimmerschinken“ (Zitat von Wiglaf Droste). Am 3. Oktober diesen Jahres trat er dann nach eigenen Angaben erstmals als Redner auf einer Demonstration auf. Und das gleich zweimal: zunächst bei einem Häuflein von „Reichsbürgern“, die sich vor dem Berliner Reichstagsgebäude versammelt hatten, und direkt anschließend bei einem ebenso kleinen Haufen von neurechten Montagsmahnwachlern vor dem Bundeskanzleramt.
Wer sind die „Reichsbürger“?
Die „Reichsbürger“ sind eine Bewegung, die von der Fortexistenz des Deutschen Reiches ausgeht – und zwar in den Grenzen von 1937. Die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland wird von den „Reichsbürgern“ nicht anerkannt, das bedeutet, die bundes-deutschen Gesetze werden nicht befolgt und auch Steuern an bundesdeutsche Finanzbehörden werden nicht bezahlt. Die verschiedenen Gruppen der „Reichsbürger“ bilden zumeist kommissarische „Reichsregierungen“, die eigene Passdokumente herausgeben. Die in der Aufklärung über den Rechtsextremismus äußerst kompetente Amadeu-Antonio-Stiftung schreibt über den politischen Charakter der „Reichsbürger“: „Die Reichsideologie ist in ihrem Kern rechtsextrem. Die Wiederherstellung eines Deutschen Reiches schließt die Aneignung fremder Staatsgebiete mit ein. Hierbei handelt es sich um das rechtsextreme Element des Gebietsrevisionismus. Die Existenz der Bundesrepublik Deutschland wird von Reichsideolog/innen durch Verschwörungen erklärt. Dabei nutzen sie oft antisemitische Stereotype, um die Verschwörer/innen zu beschreiben – oder sie bedienen sich direkt des Antisemitismus‘, indem sie ‚die Juden‘ als Verantwortliche benennen.“ (zitiert aus der Broschüre: „Wir sind wieder da“. Die „Reichsbürger“: Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien. Herausgegeben von der Amadeu-Antonio-Stiftung) In Berlin versenden „Reichsbürger“ auch schon mal Drohbriefe an muslimische und jüdische Einrichtungen, adressiert sind diese Drohbriefe an „alle Türken, Muslime und Neger in Deutschland“ und die Adressaten werden aufgefordert „Deutschland innerhalb der nächsten sechs Monate […] zu verlassen“. In Sachsen nimmt ein von den „Reichsbürgern“ aufgestelltes „Deutsches Polizeihilfswerk“ einen Gerichtsvollzieher gefangen. Ist das noch Politik oder schon Psychatrie – das mag man sich da fragen. Aber eines dürfte klar sein, die „Reichsbürger“ sind keine harmlosen Spinner, sondern eine brandgefährliche rechtsextreme Meute. (Lies hierzu auch den F.A.Z.-Artikel Treu zum Staat in den Grenzen von 1937)
Die neurechten Montagsmahnwachen
Auch ziemlich bizarr sind die neurechten Montagsmahnwachen, die sich zwar als weder links noch rechts und als friedensbewegt gerieren, ideologisch aber im Niemandsland zwischen Putin-Russland und AfD zuhause sind – zusammengerührt mit jeder Menge verschwörungstheoretischem Brei und einer kräftigen Prise antisemitisch konnotierter Bankenkritik. Chefideologe der Montags-mahnwachler ist der früher mal links und antinational eingestellte, inzwischen aber knallrechte Journalistendarsteller Jürgen Elsässer, der mit den russischen Medien bestens vernetzt ist und auch schon mal den (damaligen) iranischen Staatspräsidenten und Holocaust-Leugner Ahmadinedschad in Teheran besucht hat, um anschließend öffentlich lobende Worte über diesen zu äußern. Mit seinem hochglänzenden Monatsmagazin Compact gibt Elsässer den Montagsmahnwachlern den Ton vor: für die traditionelle Familie, gegen Gendermainstreaming und Schwulenkultur, für die Wiederherstellung einer deutschen Souveränität, gegen die Kriegstreiber der amerikanischen Federal Reserve Bank sowie für den friedliebenden Putin und gegen den Massenmörder Netanjahu – soweit im Groben das Weltbild der Montagsmahnwachenszene, die auch noch vom Ex-Radiomoderator Ken Jebsen, der wegen fortgesetzter antisemitischer Äußerungen vom rbb entlassen wurde, und von den Verschwörungs-Rappern Die Bandbreite bespielt wird. (Lies hierzu auch die taz [Im Kampf gegen die Medienmafia] und die ZEIT [Die ganz eigene Welt der Montagsdemonstranten])
Doch zurück zu Xavier Naidoo. Die beiden Reden Naidoos am 3. Oktober waren recht wirr. Mein Freund, der Baum dokumentiert sie gerade deswegen. Möge damit Schande kommen über den Jauler aus Kurpfalz!
Xavier Naidoo vor den „Reichsbürgern“:
„Ja, das ist eine Premiere für mich. Ich stehe zwar beruflich auf der Bühne, und bin aber trotzdem das erste Mal auf so was wie einer Demonstration. Normalerweise, wenn ich mich äußern möchte, dann schreibe ich einen Liedtext oder gehe auf meinen LKW, stelle mich irgendwo hin und äußere mich zu den Themen, die mich bewegen, da wir ja gottseidank Meinungsfreiheit haben in diesem Land.
[Gelächter im Publikum, Zwischenruf: „Guter Witz!“]
Manchmal kommt es nicht so gut an, was ich sage, aber ich muss es trotzdem machen, und ich möchte nur alle ermutigen, ich möchte gar niemandens Partei ergreifen, ich bin eigentlich nur hier, um die Liebe zu repräsentieren, und dafür einzustehen, dass wir hier friedlich sind. Und ihr wisst alle, oder manche wissen es, ich glaube an Gott, es ist auf jeden Fall meine Bestimmung in der ganzen Sache. Und ich möchte auf jeden Fall, dass wir irgendwie miteinander Ordnung schaffen in diesem Land, weil viele sagen, es geht uns ja gut, wir brauchen doch überhaupt gar keine Veränderung, und ich finde auch, wir leben tatsächlich im Paradies, und ich möchte mich auch immer wieder bedanken dafür, dass ich hier in Deutschland groß werden durfte, ich wurde ja sogar in Deutschland geboren, meine Eltern haben mich aus Südafrika, aus dem Apartheidssystem, losgekämpft und haben ihren Platz gefunden in Mannheim, und ich habe mich mein ganzes Leben lang dazu verpflichtet gefühlt, das ernst zu nehmen, was ich im Fernsehen gehört habe, dass so etwas nie wieder passieren darf, und wir müssen uns, glaube ich, in ein paar Jahren alle die Frage gefallen lassen von unseren Kindern, und darum muss es uns, glaube ich, wirklich gehen, wo wart ihr denn, habt ihr das nicht gesehen. Spätestens seit dem September 2001, das war der Warnschuss, wer das als Wahrheit hingenommen hat, was darüber erzählt wurde, der hat den Schleier vor den Augen, ganz einfach. Und alles, was seitdem passiert ist, hat nur dazu beigetragen, dass wir uns weiter voneinander entfernt haben, dass noch mehr Blut geflossen ist und dass die Richtung, die wir eingeschlagen haben, absolut die Falsche ist, das ist ganz klar, weil – und jetzt kommen wir zu meinem letzten Punkt, den ich machen will – ich komme aus einer Gegend, wo ich mein ganzes Leben lang die amerikanische, es gibt natürlich auch andere, Besatzung, aber die habe ich immer ganz klar vor Augen gehabt. Ich hatte ganz viele Freunde, die waren ganz oft bei denen in der Kirche, und ich habe natürlich erst später in meinem Leben verstanden, [Zwischenruf per Megafon: „Weg mit der Amifahne!“] dass das eine Macht ist, die zum einen ganz tolle Menschen hier nach Deutschland gebracht hat, und zum anderen aber auch dafür gesorgt hat, dass in Ramstein Atombomben stationiert sind und dass aus Ramstein Drohnen geflogen werden oder gesteuert werden, die tatsächlich Menschen töten. Und wenn es wirklich stimmt, dass Deutschland diese ganze Sache mit 30 oder noch mehr Milliarden unterstützen muss im Jahr, dann frage ich mich, ob das wirklich sein muss, oder ob wir nicht die Möglichkeit haben, das zu beenden. Und deswegen ist es für mich ein Traum, hier zu stehen und mit Menschen zusammen zu sein. Und auch wenn wir nur wenig sind, ich bin ja wirklich der Meinung, dass wir jeder alleine schon die Macht haben, wir schauen zu Ghandi und sehen, einer allein hat schon die Macht, das Ganze zum Sturz zu bringen. Und wenn wir uns vereinen, und wenn jetzt sogar ein paar Hundert hier sind, dann muss es uns doch auf jeden Fall gelingen. Und es muss auf jeden Fall in Liebe …
[wendet sich zu einem Zwischenrufer um:] Ich komme auch noch mal zu euch, sei doch nicht böse! Ich habe keine Ahnung, wer hier steht, ich bin nur … ich repräsentiere die Liebe.
[wendet sich wieder nach vorn:] Ihr dürft mir jetzt keinen Strick daraus ziehen. [Zwischenrufe: „Liebe! Liebe!“] Ich weiß, alle dürfen ihre Meinung sagen, auch Sarrazin, alle dürfen ihre Meinung sagen, und in Liebe. Ja, ich hasse niemanden, und das war es auch schon. Ich habe jetzt doch noch eine kleine Sache, für die ihr mich vielleicht besser kennt, ich singe noch einen kleinen Refrain, und dann verabschiede ich mich, und gehe auf die andere Veranstaltung, damit die nicht zu böse sind.
[singt:] Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen, und dazu brauchen wir keinerlei Waffen, unsere Waffe nennt sich unser Verstand, woho, was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen, yeah, nur wir müssen geduldig sein, yeah, dann dauert es nicht mehr lang, nur wir müssen geduldig sein, yeah yeah, dann dauert es nicht mehr lang, nur wir müssen geduldig sein, yeah yeah, dann dauert es nicht mehr lang.
[ruft:] Vielen Dank! Alles Liebe! Macht so weiter!“
Xavier Naidoo vor den neurechten Montagsmahnwachlern:
„Natürlich bin ich das ja gewohnt, auf der Bühne zu stehen. Erstmal hallo! Schön, dass ihr hier seid. Ich habe auch tatsächlich Angst vor so Veranstaltungen, wo die Leute so viel die Kameras zücken, und so … Aber ich glaube, ich muss einfach auch hier sein, um zu sagen, es geht nicht so weiter, dass wir es zulassen, dass dieses Land in jeden Krieg zieht. Und wir müssen alles dafür tun, dass diese Dinge nicht mehr passieren. Wir müssen aber vor allem zusammenkommen. Was mir heute ein bisschen im Herz wehgetan hat, ist, dass natürlich immer die Grenze gezogen wird, da sind die da drüben, die wollen dieses Reichsding, dann gibt es die, die sind gut, die sind schlecht, darum geht es mir nicht. Mir muss es um die Liebe gehen, mir muss es um die Liebe zu dieser Sprache gehen, um die Liebe zu diesen Menschen in diesem Land, und um die Liebe zu vielen Dingen, die in diesem Land für mich passiert sind. Und dafür möchte ich gerne kämpfen und dafür stehe ich auch gerne mit meinem Namen ein und mit meinem Gesicht und mit allem. Wir müssen alle mal ein bisschen genauer hinschauen, einfach genauer hinschauen, jeder kann sich informieren, und wir müssen auf jeden Fall in der Liebe bleiben, das ist das Allerallerwichtigste. Ich liebe die da drüben, ich liebe euch, ich möchte mich vor keinen Karren spannen lassen, ich möchte aber auch, dass es bitte bitte bitte keinen Krieg mehr gibt, an dem Deutschland irgendwie mitwirkt, das müssen wir irgendwie hinkriegen. Das ist alles, was ich zu sagen habe, eigentlich. Ich singe euch jetzt auch gerne noch einmal einen Song, der mir vor ein paar Jahren aus der Feder gerutscht ist. Den habe ich auch da drüben gesungen. Ich glaube, da müssen wir uns irgendwie alle zusammenkriegen, wir müssen zusammenkommen.
[singt:] Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen, und dazu brauchen wir keinerlei Waffen, unsere Waffe nennt sich unser Verstand, yeah yeah, was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen, woho, nur wir müssen geduldig sein, was dann, dann dauert es nicht mehr lang, nur wir müssen geduldig sein, was dann, dann dauert es nicht mehr lang, nur wir müssen geduldig sein, yeah yeah, dann dauert es nicht mehr lang.
[ruft:] Deswegen aushalten! Wir kriegen es auf jeden Fall gebacken! Und auf jeden Fall auch gewaltlos. Vielen Dank! Peace! Peace! Peace! Bis bald!
[beim Bühnenabgang an den Veranstalter gewandt:] Weiter so! Weiter so! Ich habe den größten Respekt für eure Arbeit! Vielen Dank!“
Soweit Xavier Naidoo im Original-Wortlaut. Seine Melange aus christlichem Erweckungspathos, naivem Liebesgefasel und national-gefärbtem Verschwörungsglauben sucht und findet Anschluss an gleich zwei rechte Politsekten, die sich über den prominenten Unterstützer freuen können. Es bleibt aber der Eindruck, dass Xavier Naidoo gar nicht so genau weiß, mit was für Leuten er sich da einlässt, er hält die Menschen, zu denen er am 3. Oktober auf dem Platz der Republik in Berlin spricht, offenbar für eine Friedensbewegung. Der Mann scheint einfach dumm zu sein – so dumm, dass es einen schüttelt.